Das verlassene Haus
Als Hobby Fotografin würde ich gern mal einen sogenannten „Lost place“ fotographieren. Damit meint man alte, seit langem unbewohnte und zuweilen auch in Vergessenheit geratene Häuser. Nun war ich zum fotographieren in einem alten und leeren Haus. Nicht gerade ein klassischer „Lost place“ aber ein für mich ganz besonderer Ort, denn dieses verlassene Haus ist mein Elternhaus…
In diesem Haus bin ich aufgewachsen und gross geworden, habe gespielt, gelacht und viel Blödsinn gemacht. Mit Katzen, Hunden und Kaninchen geknuddelt und mir im Garten an den leckersten Früchten den Bauch voll geschlagen.
Dieses Haus steckt voller Erinnerungen und könnte stundenlang Geschichten über seine Bewohner und deren Erlebnisse erzählen. Es könnte sowohl von Liebe, Freud aber auch Leid berichten, einem sowohl zum lachen, als auch zum weinen bringen. Vermutlich wie jedes andere alte Haus das auch tun könnte.
Seit jeher wurden Wünsche und Vorstellungen an dieses Land und dieses Haus geknüpft. So sollte es stets in Familienbesitz bleiben und die schöne Linde vor dem Haus – von des Grossvaters Händen gepflanzt – sollte auf ewig dort wachsen und gedeihen…
Doch wie so oft im Leben kommt es anders als gedacht: Menschen entschwinden, Lebenspläne verflüchtigen sich und lang gepflegte Träume vergehen.
An so manchen Vorstellungen und Idealen kann man einfach nicht länger festhalten, da sie nicht mehr mit der Realität vereinbar sind. Zurück bleibt ein leeres, altes Haus voller Vergangenheit aber ohne Zukunft.
Es bleibt zu hoffen, dass diejenigen, die all diese Träume über lange Zeit gehegt hatten, ihren Frieden damit finden, dass alles anders kam, als es gedacht war. Mögen sie die Vergangenheit loslassen und die Gegenwart annehmen, egal ob im Diesseits oder im Jenseits.
Das verlassene Haus wird bald nicht mehr in Familienbesitz sein und möglicherweise wird es danach auch nicht mehr weiter fortbestehen.
Wir haben es nicht mehr in der Hand. Was immer sein wird, wird sein.
Zumindest in meinen Träumen bleibt das Haus so lebendig wie eh und je.
Obwohl ich seit sehr vielen Jahren nicht mehr dort wohne, suchen sich meine Träume immer noch oft dieses alte Haus aus Schauplatz aus, als Kulisse unterbewusster Geschichten. Als wären die Räume dieses Hauses untrennbar mit mir verbunden.
Was immer also die Zukunft für dieses alte Haus bringen wird, es wird für immer einen Platz in meinem Herzen, meiner Erinnerung und sogar in meinem Unterbewusstsein haben. Zumindest dort wird es nie vergehen.
Abschiede, so schwer sie auch sein können, sind immer auch Neuanfänge. Unerwartete Wendungen eröffnen neue Möglichkeiten und schmerzliche Verluste bringen die Menschen auch wieder näher zusammen und weisen den Blick darauf, was im Leben wirklich zählt.
Schlusswort
Ich war an jenem Tag des Fotoshootings alleine in dem grossen, leeren Haus. Es war mein persönlicher Abschied. Zeit, um nochmal durch alle Räume zu gehen und sie auf Bildern festzuhalten. Es ging mir dabei nicht um eine dokumentarische Abbildung, sondern um Ausdruck, Emotion und Symbolik.
Mein kleiner Teddy spielte daher eine wichtige Rolle, denn er steht symbolisch für meine Kindheit in diesem Haus.
Für mich war dieser fotographische Abschied wichtig und es war mir ebenso wichtig auf dem Blog darüber zu schreiben. Es ist Teil eines Verarbeitungsprozesses. Entstanden sind persönliche und auch sehr emotionale Bilder, die mich berühren.
Ich habe vor einem Fotoprojekt immer gewisse Vorstellungen, was ich wie machen möchte. Doch vor Ort kommt es oft anders. So hatte ich beispielsweise neben dem Teddy noch viel mehr Accessoires mitgenommen, aber als ich das leere Haus auf mich wirken liess, wurde schnell klar, dass ich genau diese Leere auch darstellen wollte.
Ich habe weder Lampen noch Kamerablitz benutzt sondern lediglich mit dem zur Verfügung stehenden Tageslicht gearbeitet. Das einfallende Licht und die entstehenden Schatten geben den Räumen eine schöne, natürliche Atmosphäre. Ohne Kunstlicht wird zudem die Unbewohntheit des Hauses unterstrichen.
Bei der Bildbearbeitung war schnell klar, dass ich die Bilder in schwarz/weiss haben möchte, da mir ein nostalgisches Flair recht passend erschien.
Zudem habe ich mit Geistereffekten experimentiert, also Bildern, auf denen ich halb transparent zu sehen bin, so als wäre ich ein Geist. Dies als Symbol des Verblassens und der Vergänglichkeit von dem, was einst war. Auch als Ausdruck für das Entschwinden der Menschen aus dem Haus.
Falls dich interessiert, wie man diesen Effekt in der Praxis fotographiert, kannst du das in diesem Blogbeitrag nachlesen, wo ich das sehr ausführlich erkläre.
Ich hoffe, dir hat der Ausflug in meine kleine Welt gefallen.
Liebe Grüsse, Nadia
Ich freue mich sehr über den Blog Award von „Froh und kreativ“, denn ich mit diesem Beitrag erhalten habe. Vielen Dank.
5 Kommentare
Theodor
Liebe Nadia – ich wusste ja dass du einen Beitrag zu diesem Thema schreibst, einige der Bilder hatte ich auch schon vorab gesehen. Also nichts neues für mich, könnte man meinen….
Weit gefehlt: Dieser Blogbeitrag berührt mich sehr. Wunderschön geschrieben, mit sehr eindrucksvollen und emotionalen Bildern unterstützt, geht direkt ins Herz. Ich hoffe sehr, dass er auch anderen Familienmitgliedern bei ihrem Ablösungsprozess helfen wird.
Nadia
Lieber Theodor,
vielen Dank für diese schönen Worte.
Sie tun mir gerade wirklich gut.
❤️
Elsa Horneke
Die Bilder sind wirklich toll! Fotografie ist eine faszinierende Kunst für sich. Das Haus erinnert mich an mein Elternhaus, bevor es renoviert wurde. Mein Mann und ich wollen unser Haus umbauen lassen und ich hoffe, ich kann das gleiche heimische Gefühl erzeugen/kreieren, wie ich das damals in meinem Elternhaus gespürt habe.
LG Elsa
Ein-kleiner- Blog
Liebe Nadia,
du hast mit diesem Beitrag den Blogaward meiner Linkparty Froh und kreativ gewonnen. Herzlichen Glückwunsch und vielen Dank für die Teilnahme!
Liebe Grüße
Elke
Nadia
Liebe Elke,
oh wow, da freu ich mich aber!
Liebe Grüsse
Nadia